Über die Autorin
Buch

POESIE  
PROSA
ESSAY
Aus Wilde Heckenrose
Aus Tristan und Isolde
Aus Alte Lieder  
Aus Aus Tore, Fenster, Bögen
Aus Stanzen in der Weise von Alexander Pope
Aus Stelen und Inschriften
Aus Jamben
Chinesische Reise
Aus Abendlied
Aus Elegien
Aus Anfang des Buches
Aus Alte Lieder
zur Erinnerung an die Großmutter
Darja Semjonowna Sedakowa

(1980-1981)
Erste Heft
Was blinkt da weiß auf grünem Berge?
A.S.Puschkin
1. KRÄNKUNG

Was hast du nur, boshafte Kränkung?
Ich schlaf ein, du aber nicht,
ich wach auf, doch du bist längst wach,
wie eine Wahrsagerin blickst du mich an.

Oder sagst du, wer mich kränkte?
Solche gibt es nicht, Gott ist gleich über allen.
Wer es braucht – dem gibt Er Freiheit,
wer's nicht braucht – dem nimmt Er sie.

Hat das Leben mich nicht liebgewonnen?
Ach, Unsinn, es liebt mich und hegt,
hütet mich an verborgenem Orte,
holt mich raus, sobald es nur möchte,
blickt mich an, wie kein anderer es könnte.

Weshalb nur, boshafte Kränkung,
hockst du vor mir, einer Wahrsagerin gleich?

Oder meinst du, mein Leben sei übel,
ich kränkte die Kranken und Elenden?

Sergej Gladkich

2. DAS ROSS

Reitet ein Pilger auf finsterer Straße,
ohne Eile, er reitet und reitet.
– Frag mich, mein Roß, was du möchtest,
frag alles – ich geb dir die Antwort.
Menschen schenken mir kein Gehör,
Gott weiß immer Bescheid ohne Worte.

Seltsame, seltsame Sache
weshalb brennt das Feuer hieniden,
weshalb wir uns mitternachts fürchten,
ob je einer schon glücklich geworden?

Ich sag es dir, du wirst mir nicht glauben,
wie ich liebe die Nacht und die Straße,
wie ich es liebe, daß man mich verstoßen
und mich morgen gleich wieder verstößt.

Trete heran, du barmherzige Zeit,
trink den Rausch meiner jungen Jahre,
zieh heraus meiner Jugend Stachel
aus der jüngsten brennend heißen Wunde –
klüger werde ich als die anderen alle!

Und das Roß spricht nicht, doch gibt es Antwort,
und es zieht sich hin die lange Straße.
Und nie ist einer glücklich geworden.
Doch auch Unglückliche gibt es nicht viele.

Sergej Gladkich

3. SCHICKSAL

Wer weiß schon, was einem beschieden?
Wer's errät – wird's doch nicht merken.

Mag sein, du erinnerst dich meiner,
wenn ich dich schon längst vergessen.

Und dann trete ich ein unhörbar,
Wie zu Lebenden Leblose kommen,
und sage, ich wisse so manches,
was du nie zu wissen verstündest.

Und dann werde die Hand ich küssen,
wie die Knechte sie küssen den Herren.

Sergej Gladkich

4. KINDHEIT

Ich weiß noch die früheste Kindheit
und den Traum im goldenen Bette.

War es Schein oder Wahrheit?
Jemand hat mich gesehen,
tritt rasch herein aus dem Garten
und steht da, lächelnd.
– Die Welt, – spricht er, – ist eine Wüste.
Das Menschenherz – ein Stein.
Die Menschen lieben, was sie nicht kennen.

Vergiß du mich nicht, Olga,
ich werde niemand vergessen.

Sergej Gladkich

7. TRÖSTUNG

Grüble nicht übers eigene Sterben
und freue dich nicht, daß alles verloren,
denk nicht daran, wie du beweint wirst,
wie man zerquält wird vom späten Bedauern.

All dies ist eine schwache Tröstung,
für die Erde ein kränkendes Spielchen.

Besser sage und bedenke:
was blinkt da weiß auf dem grünen Berge?

Auf dem grünen Berge spielen Gärten
und reichen bis ans Wasser heran,
wie die Lämmer mit goldenen Glöckchen.
Weiße Lämmer auf dem grünen Berge.

Der Tod aber kommt, der fragt keinen.

Sergej Gladkich

8. STREIT

Hab ich etwa wenig gelebt auf der Erde?
Furchtbar auszusprechen, wie lange.
Dennoch liebt das Herz sich vergeblich.
Läuft wie ein Häftlingim finsteren Kerker –
und was sieht man nicht alles durchs Fenster!

Eine Alte hat einmal gesprochen:
– Gut und warm ist es im Reich Gottes.
Wie die Erbsen in Erbsenschoten
liegen wir in der Hand unsres Herren.
Auch der, den du bittest – kehrt nicht wieder.
Nimmst du dir auch was vor – wirst es nicht schaffen.

Doch freut sich darüber das Herze,
als hätt' einem Vogel in den Zierkäfig
man liebliche Kerne geworfen –
ein Geschenk immerhin, nicht vergeblich!

Ich nickte, doch sagte im Geiste:
Schweige still, törichte Greisin.
Alles gibt es, und viel mehr noch.

Sergej Gladkich

9. BITTE

Elende, elende Leute!
Böse sind sie wohl nicht, nur in Eile:
essen Brot – und werden noch hungriger,
trinken – und der Wein macht sie nüchterner.

Hätte mich einer gefragt,
würde ich sagen: Herrgott,
mache mich zu irgendwas Neuem!

Ich liebe das große Wunder,
doch ich liebe das Unglück mitnichten.
Mach aus mir einen Stein, feingeschliffen,
und laß mich aus dem Ring rausfallen
auf dem Sand eines Ödlands.

Daß er stille liege,
nicht innen, nicht außen,

sondern überall: ein Geheimnis.
Und daß niemand ihn sehe,
nur das Licht von innenund von außen.

Das Licht aber spielt wie die Kinder,
kleine Kinder und auch zahme Tiere.

Sergej Gladkich

10. DAS WORT

Und wer liebt, der wird geliebt,
wer dient, dem wird gedient,
wo nicht jetzt, so irgendwann.
Doch ihm, der dankbar ist, ergeht es besser,
der trotz Dienens fortgeht ohne Rahel,
heiter über grüne Berge.

Du aber, Wort, bist ein königlich Gewand,
ein Kleid großer oder kleiner Langmut,
höher als der Himmel, weiter als die Sonne.

Unsere Augen sehen deine
ursprüngliche Farbe nicht,
das Rauschen deiner weiten Falten
hört nicht das Ohr des Menschen.

Nur das Herz sagt zu sich selbst:
„ihr seid frei und frei werdet ihr sein,
ihr schuldet Sklaven Antwort nicht.“

Walter Thümler
1980
 Aus Erstes Heft
Aus Zweites Heft
Alte Frauen
Aus Drittes Heft
Widmung
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