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Aus Alte Lieder | zur Erinnerung an die Großmutter
Darja Semjonowna Sedakowa
(1980-1981) | |
Dritte Heft | 1
– Gehn wir, gehn wir, meine Liebe,
gehn wir zusammen durch unseren Garten,
schauen wir, was geworden ist auf der Welt!
Reich mir, Liebste, die Hand,
hol mir meinen alten Stock.
Gehn wir, sonst ist der Sommer vorbei.
Es macht nichts, daß im Grab ich liege –
was der Mensch nicht so alles vergißt!
Vom Garten aus sieht man den seichten Fluß,
im Fluß aber sieht man jeden Fisch.
Walter Thümler
3
Das weibliche Los – ist ein Spinnrad,
wie auf alten Grabsteinen,
eine Winternacht ohne Geschichten.
Als Waise zur Frau, als Frau zur Witwe,
dann sich selbst verhaßt geworden.
Es fiel vom Himmel der goldene Faden,
er fiel, die Erde erreichte er nicht.
Was schmerzt das Herz denn so?
Aus der Tiefe des Ozeans
tauchte auf ein wunderbarer Fisch,
er trug einen Perlenring,
bis zum Ufer schwimmt er nicht.
Was heult in der Brust wie Schneegestöber?
Könnte man aufschreien – womit aber aufschreien,
wie schade um die schöne Erde!
Walter Thümler
8
Brenn du, unsichtbare Flamme, brenne,
nichts anderes ist mein Bedürfnis noch.
Alles andere nimmt man mir weg.
Nimmt man es nicht, bittet man mich darum.
Bittet man nicht, werfe ich’s selber weg,
weil es langweilig und entsetzlich ist.
Einem Stern gleich, schauend auf die Krippe,
oder im Dickicht dem kleinen Wärterhaus,
brenn du, unsichtbare Flamme, brenne,
an schwarz gewordenen Ketten schaukelnd.
Lämpchen, du, die Tränen sind dein Öl,
des grausamen Herzens Zweifel,
das Lächeln von jenem, der fortgeht.
Brenn du, und überbring die Nachricht
dem Erlöser, dem himmlischen Gott,
daß man seiner noch gedenkt auf Erden,
noch nicht alles vergessen hat.
Walter Thümler | |
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| | | | | Aus Drittes Heft |
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