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Aus Jamben | (1984–1985) | |
Die Fünften Stanzen
De Arte Poetica | 1
Die große Sache - ist sich selbst ein Reich.
Wie tiefe Klause oder breiter Teich, -
geheimnisvoller Fisch tief unten schwimmt.
Und der Gerechte liest im Stundenbuch
des Tages, der um keinen Abend weiß.
Sie selbst - ist ihrer Schönheit Schale leis.
2
Wie in der Muschel wogt der Ozean -
die Herzklappe der Zeit, Fangeisen sodann
auf Pfoten, weichen, Untier in dem Sack,
jener im Schlafmittel versteckter Schatz -
so geht sie mit dem Zauberlicht hinaus
in meinen Kopf, dieses knarrende Haus.
3
Nicht wahr, vorhergehende Strophe war
ein wenig überladen? Doch lesbar
für ihn, der von der Bilder Silber-Schwarm
verlockt ward offenen Augs, ganz wach,
der uns auf scharfer Flosse trägt hinauf,
wo wir und alles, was wir kennen, Staub.
4
Ich muß in Klammern nur bemerken: Licht -
ist etwas von Geheimnis und Gewicht,
weiß Gott wovon zu sprechen es vermag,
die Rede läßt’s wie Staub, durchbohrt vom Strahl,
etwas wirbeln, vertauschend ihre Ringe,
meint aber - die Transparenz der Dinge.
5
Die große Sache - ist sich selbst ein Reich.
Dort laufen Tiere, Küken picken leicht
ihr Brot, Musik als Nahrung. Doch dem Tag
die Nacht folgt auf dem Fuß. Und jener, der
die Arbeit endigt, sieht das Wachsen fern
magnetischen, tränenschaffenden Sterns.
6
Seltsam: wie die Augen gealtert sind!
Sie sehen das, was nicht zu sehen ist,
und anderes ist nicht zu sehen. So
geschieht’s: der Hand entfällt die Tasse. O
das Leben, Freund, bewahrt, verlieren wir’s -
und sterngleich U n b e k a n n t e s steigt herfür ...
7
Die Poesie, es scheint, man zieht für alle
sie wie neben Klöstern - wo es Kelle,
Brunnen, Honig gibt und himmlisches Eis,
das treibt - die Nußbäume in Serbien, -
und für ein Nu siehst du dein Leben
wie des Frühlings Eisschollen zergehen ...
8
- O, dieses: woran ich zugrunde ging,
worüber klagte mein Verstand, Hunger litt
wie eine Maus im kalten Keller - krank -
weil niemand niemanden getröstet hat -
vom Glück gedingt, unterwegs sie waren,
„alles vergeht“, Horaz liebt zu sagen ...
9
Doch warte, Leben, warum so schnell? Dir
gelingt es noch, schon meinen Mund bald mir
mit eisernem Faden zu vernähen. Dich
erbarm’, will sehen, ob die Losung sticht:
„Die große Sache - ist sich selbst ein Reich“.
Sie singt, wenn uns der Abgesang ereilt,
10
und viel schöner, sagt man. Doch jetzt steht weit
auf jene Tür von des Mittags Schönheit,
und es liest tief inmitten der Berge
das Feuer der Bilder der Sterne
- ein Engel, ein Mönch - bei eigenem Licht
in der Tiefe die Bilder der Schuld, des Gerichts ...
11
Die große Sache ist - Verlust des Verlusts.
- Ein Blick in den mediolanen Garten.
Gestimmt ist das Gehör; es spielt die Angst
auf kundigen Saiten, und es verlangt
beseelter Staub wie der Nachtfalter still
nach Licht: „Ich will nicht sein, was ich wohl will!“
12
Und mühsam rollt die Zukunft so hinein
ins große Haus, in Wasser, die geheim... | Walter Thümler | |
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