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Aus Elegien | (1987-2004) | |
Zum Gedenken an den Dichter | Das Wichtigste ist - die Erhabenheit der Absicht, wie Joseph sagt. | Aus einem Brief A. Achmatowas | 1.
Zum Himmel starrend nur,
in leere Züge,
in der Blindheit Azur,
die harte Klammer,
darauf, wie der Blick
in seinen Rauch einzieht
Hausrat, Gerümpel, Gerät,
das, was vor ihm liegt -
wie der Lagune Schoß
Ton, Duft und Gestalt,
Saiten des Musenbunds,
jenseitige, umfaßt,
eindringt in des Sängers
Schweigen am Rand
des Exils, fern der Länder -
2.
So nimmt der Tote jetzt,
geschlossen das Buch,
mit jenen späten Herbst,
des Name: „durch ihn“,
jenen Bogen, den Turm,
das Tor, das wundersam,
den Platz San Marco vorn,
wo wir zu dritt entlang ...
3.
Nicht Freund, nicht Gefährte
(nicht Bruder? nicht Nächster?),
hielt er die vertraute
Tonart im Geklirr
der Akkorde
wie jener, der
im voraus beschloß,
daß Leben
nicht verlockt
und Tod
nicht verwirrt, -
wie das Steuer
der Steuermann, wie ein Reiter - die Zügel,
die Wanderer
den Winkel
zwischen Stern und Erdenhügel:
vorbei an ihr, wird kleiner die Welt:
Bethaus und Bazar ...
der Ton - ist ein seltsam Ding: Mel-
chior, Balthasar.
Stadttor und Hochland so nah.
Ein Bund, der geheim,
der Ton - Dienst an den Musen -
ist ein seltsam Leid.
Was suchte er denn auch,
der Geist, allen entzogen:
das Horn, das an Karl glaubt?
Rauch sucht: nach oben!
4.
O ja, wir wurden geboren
in anderen Räumen,
wo ein Mitleid uralt,
den Rücken gebrochen,
die Lebenden nicht sieht -
es gilt solchen, die ihm gleichen
(nicht die Dewa Obida ist’s:
die wurzellose Finsternis) -
gilt den Vergessenen
den Unterdrückten,
gilt den sinnlos Erschlagenen,
gilt jenen, die wahnsinnig gemacht ...
Tod - ist kein russisches Wort.
Wie sagte Paul doch gleich?
Tod - ist ein deutsches Wort,
ein russisches Wort aber ist - Gefängnis:
von Meer zu Meer,
von Land zu Land,
vom Gericht zum Brandmal.
5.
Ruderer auf der Galeere,
Gerippe an der Kette,
Etappist in grenzenloser,
grenzenloser Steppe,
sie legen ihre Qual in das,
was verbrennt uns wie ein Ofen:
nach oben!
hier ist es unmöglich
ohne dieses: nach oben!
Sonst
bleibt nur dein Kessel und dein Messer,
so wir unser ewig „Nein!“ geschluckt,
Schmach - Menschenfresser.
6.
Wie ein Türchen,
dem Vogel des Waldes aufgetan,
wie ein Herz,
der Anziehung der Erde gram, -
von aller Schwerkraft
losgelöstes Floß.
Zu bleiben, wer vermag’s,
wenn es fährt los?
7.
Nicht einer Feuerstatt Rauch,
nicht von Gebirgsattacken,
nicht von Dörfern auch,
die die Seele ausatmen,
nicht des Verwesens,
nicht des Brandgeruchs, nicht der feurigen Qual,
es ist Rauch - des Betens,
Shiwa, der hundert Arme hat.
8.
Zuerst schaukelt er auf
wattigen Beinen,
verirrt sich im Strauch,
stößt sich, will sich vereinen -
über allem Feldfrevel,
den Tälern der Tränen
„O Herr, Ruhm und Ehre
sei Dir“, entflammt’ es! -
wie das Herz des Königs
kniet er nieder da,
Rauch, der gesegnet ist,
des irdischen Altars..
9.
... ein abendliches Meer,
die Freude Sapphos,
ein Stern hinter dem Stern,
Vers hinter dem Vers ...
Dort erinnert sich keiner,
wer starb, wer noch lebt.
Müder Tagelöhner,
den Ochs hat er entschirrt ...
Was ist reiner als das,
was völlig verbrannt?
bodenloser Abgrund,
Himmel ohne Rand ...
10.
Wie die Kinder spielen:
„Halt, ich fange an!“
am Rand der
Schöpfung, im abwesenden Land -
Mohn des Vergessens,
Honig des Erinnerns,
wer als erster geht,
der nehme es auch mit -
dorthin, wo wie Schwestern
die Brandung uns empfängt, wo,
der Himmel, wo die Insel,
wo es heißt: Schlafe wohl! | Walter Thümler | |
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