Aus Wilde Heckenrose | (1976-1978) | |
Abschied | I
Ich träumte, als wäre der Abschied da bereits,
aufsteigend über die verwirrten Wasser.
Angesichts größeren Leids vor kleinerem Leid,
wie dessen, daß Abschied - von irgendwoher -
Kontur noch hat, vertrauter leerer Umriß ist,
erschien mir wie Trost die verlorene Sicht.
Doch aus schweigendem Leben zog er sein Gesicht,
wie der Ring es der Weissagungsschale entnimmt,
und wie mein Wunsch stand er still, weinte allein,
war verwirrt und schaute ins Leben hinein.
II
So wird man vom Rand der Schöpfung krankem Tier
aufschütteln die lebendige Schau, auffalten
aus Falten, in die nimmer hineinsehen wir,
die zweite Kindheit beugt sich über ihm, ist Mund,
damit es schmerzlos Abschied nimmt von aller Qual,
belehrt vom ersten wie vom letzten Wunsch.
Wie Fell wühlt es gleichsam diese Finsternis auf
und spürt genau, wie es zur Zitze kriecht hinauf,
zu der neuen Amme dürre Flanken kriecht’s,
wo ihre Milch in furchtbarer Süße fließt.
III
Auch ich gehör zu denen, die mehr nicht brauchen,
und bleibe stehen, verschwinde aus dem Blick,
die Glasterrasse, aus dunklem Garten schauend,
genießend wie Regen, der uns begießt,
wie lebendige herzensvolle Hecke, Aue
am Fenster, solang noch nicht erlöscht das Licht.
Die Hecke des Gedenkens und die des Abschieds,
uns heilende Substanz, die das Wissen umzieht.
Und jemand, dem Fenster genaht, nickt, winkt
dem Traum-, dem Verwirrungs-, dem Regengesicht. | Walter Thümler | |
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