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Aus Stelen und Inschriften | (1982) | |
Die Herrin und das Dienstmädchen | Die Frau schaut in den Spiegel: was sie sieht - ist nicht zu sehn;
schwerlich ist dort irgendwas. Übrigens, wozu dann
das eine bewundern und sich Gedanken machen, wie das andere korrigieren
durch diesen oder jenen Kniff? Wozu sich erforschen?
Offenbar ist dort etwas. Etwas verlangt nach zarter Salbe,
nach Halsketten, nach Spangen. Still steht das Diensmädchen
in Erwartung der Bitte, die sie nicht erfüllen kann.
Ja, wir haben einander niemals verstanden. Das ist verständlich.
Das war nicht schwer.
Schwerer war anderes: wir wußten
alles voneinander. Alles, restlos, bis zur letzten
zartesten Unendlichkeit.
Nicht wünschend, nicht denkend - wußten wir.
Nicht hörend, wußten wir
und berieten im Kopf seine Bitte, mit der er nicht dazu kam,
sich an uns zu wenden oder nur daran zu denken. Wie auch.
Die Bitte ist ein und dieselbe bei uns allen;
da ist nichts außer dieser
Bitte.
| Walter Thümler | |
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| | | | Die Herrin und das Dienstmädchen |
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