|
Aus Aus Tore, Fenster, Bögen
| (1979–1983) | |
Sieben Gedichte | 1
Geheimnisvoll ist Trauer und tief die Kraft.
Siebentausend Jahre lag sie im Tale,
dort verwandelt und geschätzt sie ward
fortwährend von des Gletschers Kralle.
Wie ein randvoll Brunnen fließt sie über -
Blätter möchten, daß Bewußtsein sie bewegt,
möchten schauen ins dunkle Haus hinüber,
wo das Weltall wie ein Regenschauer schläft.
2
Weder Meer, weder Baum, weder Stern, so hart,
weder tiefe Nacht, weder übergroßer Tag -
mit nichts tröstet sich der irdische Verstand,
nur mit der Liebe des Vaters, des Gebieters.
Wie die Gärten in der Tiefe, du, mein Wort,
wie Gärten und wie Hecken, du, meine Ehre -
wie ein Kranker, der sich verneigt vor der Erde -
vor dem, was es nicht gibt, des er nicht mehr bedarf.
3
Der verlorene Sohn kehrt zurück, Joseph kommt nach Kanaan,
jung wie eh und als Traumseher, der wunderbar.
Der Tiefe Wasser, umgewendeter Länder Feuer fortan
werden zur Zukunft und werden in der Zukunft sich teilen.
„Auf, verlorener Sohn, vergaßest, wie man lebt auf der Erde.
Sieh, wie das Kleinste die Welt besiegt und standhält dem Vergehen.
Wasser ist unbekannter Feuer Asche. Und in der Asche
bewahrt unser Herr unser Glück, erweckt die Toten zum Leben.“
4
Ich kann nicht denken an dich,
ohne daß mich Kummer trifft,
und das ist seltsam - warum?
Es gibt, sagt man, überschwere Sterne.
Es scheint mir, daß Liebe schwer ist,
wie als ob sie fällt.
Sie ist immer so
als ob sie fällt -
und nicht wie ein Blatt auf’s Wasser
und nicht wie der Stein aus der Höhe -
nein, wie ein vernünftiges Wesen
mit dem Gesicht, den Händen, den Ellbogen
abgleitend von irgendeiner Mauer ...
5
Immer gibt es den Schritt, immer gibt es den Lauf, immer gibt es den Weg.
Doch laßt uns nicht ergeben uns den Zwecken, ganz unten.
So wiederholen die stürzenden Flüsse den Schluchten:
immer gibt es den Schritt,
immer gibt es den Lauf,
immer gibt es den Weg.
Wie eine Leiche bin ich irgendwo hingelegt -
oder ist es der Versuchung Anfang?
Aber wer wagt denn? Wer erträgt die Erscheinung,
die schaut in die leere Brust?
Immer gibt es den Schritt, immer gibt es den Lauf, immer gibt es den Weg.
6
Wenn die Stunde anbricht
und der geschwungene Hammer auf den Amboß niederfällt
und die Menschen gerufen werden aus der traurigen Heimat,
welcher von welcher, welcher von wem,
vom Traum, vom Henker, von ihrem Herzen,
von aller Ungnade.
Und die Märtyrer aufstehen
und sagen: „Rechne ihnen das nicht als Sünde an.
Wir wissen gut, daß sie nicht wissen,
was sie tun.“
Wer weiß dies?
Wer weiß, was größer ist als alles?
Wie Blitzbäume, so
verästelt wie die Eiche,
stürzt das Böse herab, vernichtend den Verstand.
Wer, wer hilft ihnen, nicht zu verbrennen, nicht zu quälen,
nicht zu töten?
7
Ich liebe so
diese Häuser, gehörend dem Gebet,
diese Lichter, gehörend der Liebe,
und die Stimme auf der langen Fahrt der Stundengebete oder die Stimme
des Abendgebets, die wie die Taube als Botin der Erde spricht:
„Steh doch auf, unglückliche Schöpfung
und teile mit mir, was Gott dir gibt:
zusammen sind wir sowieso,
und auf den Armen des Leidens wiegt
man uns ein wie ein einfaches Kind.“ | Walter Thümler | |
|
|
|
| | Sieben Gedichte |
| | | | | | | | |
|
|