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Aus Elegien | (1987-2004) | |
Erde | für S. Awerinzew |
Wenn im Osten jeden Augenblick die nächtliche Tiefe entflammt,
beginnt die Erde zu leuchten, erstattet sie gebannt
den Überfluß geschenkten zärtlichen, nicht länger notwendigen Lichts.
Das, was allem antwortet, - erhält Antwort nicht.
Und wer in diesem Jammertal antwortet dir,
einfache Größe der Seele? Größe des Feldes,
der weder vor Pflug noch Überfall
einfällt sich zu wehren: all
sie, die rauben, zertreten, eine Pflugschar
ins Herz stoßen - nacheinander wie Traum auf Traum
verschwinden sie
irgenwo, fern, im Ozean, wo alle sich wie Vögel ähneln.
Und die Erde, ohne hinzuschauen, sieht und sagt: „Vergib ihm Gott!“
einem jeden hinterher.
Nun, ich erinnere, wie in den Heiligen Höhlen eine
Küsterin einem jeden, der zu den Alten niedersteigt, seine
Kerze zu halten zeigt wie einem kleinen Kind, das zum schrecklichen Ort
des Ruhmes Gottes geht - und wehe dem, des Leben - ihm nicht Braut!
Wo man hören kann, wie der Himmel atmet und warum ...
„Rette dich Gott!“, sagt sie dem, der geht, doch dieser hört nicht, dreht sich nicht um.
Vielleicht ist Sterben nichts, als endlich in die Knie zu sinken?
Und ich, die zu Erde werden wird, sehe verwundert auf die Erde:
Reinheit, die reiner als die erste Reinheit ist! aus der Bitternis Mund
frage ich nach der Fürbitte und der Vergebung Grund:
ich frage: kannst du, Wahnsinnige, denn froh sein, Kränkungen seit
Jahrtausenden hinzunehmen und Auszeichnungen zu verteilen?
Warum hast du sie lieb, oder wie wurden sie dir wie ein Kind?
„Weil ich bin“, antwortet sie. „Weil wir alle gewesen sind.“ | Walter Thümler | |
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