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Aus Aus Tore, Fenster, Bögen
| (1979–1983) | |
Die Heuschrecke und das Heimchen | The poetry of Earth is never dead. | John Keats | Die Poesie der Erde wird nicht sterben.
Und hier im Norden, wenn sich Schnee auf alles senkt,
verstummt die Heuschrecke. Ein Sturm beginnt zu wirbeln,
ein Heimchen klimpert, blindgewordner Mensch.
Dem Degen gleicht jedoch sein wendiger Verstand.
Gestimmt ist immer seine dürre Leier,
das feuchte Härchen straff gespannt.
Inmitten dieser unsichtbaren Feier
ist auch das Heimchen Gast, ein Demodocos,
der eine ganze Wiese holte vor den Ofen.
Die Poesie der Erde ist nicht reich:
ein kleines Kind, ein magrer Greis,
Heuschrecke, Grille wandern auf derselben Leiter
von irgendwo nach irgendwohin weiter –
ihr Weg ist riesig wie das Fetzchen Stoff,
das ganz bedeckt den Riss des Hörens.
Mit ihren leeren Herzchen dröhnend
und dort mit Lockenscheren,
so klappern sie über den goldnen Mähnen
unirdischer und junger Pferde –
und trommeln ihre Gleichnisse ins Nichts.
Doch reicht es schon, wenn jener in die Röhren bläst,
und jener fahle Augen aus dem Sturm erhebt,
um eine Wiese geht im Dämmerlicht,
sein Silber dort verlierend –
und alles findet in den letzten Silberschlieren.
Die Poesie der Erde wird nicht sterben,
doch wenn sie weiß, es ist soweit,
wählt sie sich einen starken Nachen,
sie legt die Ruder aus der Hand und treibt –
und was auch weiterhin geschieht,
die Hoffnung brach in sich zusammen,
derweil sie nie verlernte
auf einer Lautwelle zu segeln.
Sag mir, was unter'm Himmel kann es geben,
was dem geliebten Himmel lieber wär,
als liegend so zu treiben, offnen Augs,
wie ein verwunderet Tristan?...
Die Poesie der Erde ist die kühnste Langeweile.
Auf ihrem Amboss schmieden Heuschrecke und Heimchen
geheimnisvollen Klang zum Ozean. | Isolde Baumgärtner | |
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| | | | | Die Heuschrecke und das Heimchen |
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